Medienwerkstatt Freiburg

Die Medienwerkstatt Freiburg wurde 1978 gegründet und gehörte zu einem Netzwerk von rund 50 Videogruppen und Medienwerkstätten, die sich in den 1970er Jahren bildeten. Sie fühlten sich den damaligen Protestbewegungen eng verbunden und wollten eine Gegenöffentlichkeit und eine Alternative schaffen zu den bürgerlichen Medien, die nur ungenügend und sehr negativ über die alternative Szene berichteten. Die „Medienwerkstatt Freiburg“ nutzte die Möglichkeiten der neuen Video-Technik, um das gedrehte Material schnell bearbeiten und vorführen zu können.

Das Modell des „public access“ war ihnen wichtig, wie eine Selbstdarstellung von 1979 deutlich machte:

„In der Medienwerkstatt sollen Initiativgruppen und einzelne Unterstützung finden, die bei ihrer politischen Arbeit Medien brauchen. Medien heißt hier: Video, S-8 Film, Foto, Siebdruck. Mit Unterstützung meinen wir: Verfügbarmachen von Produktionsmitteln, helfen, beraten, erklären, Material sammeln, vor allem aber, mit Gruppen längerfristig zusammenzuarbeiten.“

Zu den Gründern gehörten Bertram Rotermund, Pepe Danquart und Miriam Quinte, später kamen noch Wolfgang Stickel, Mike Schlömer und Didi Danquart dazu. Konzeptionell orientierten sie sich an Bert Brechts Radiotheorie:
„Der Rundfunkapparat ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln“.
Eine wichtige Rolle spielten auch sowjetische Theoretiker wie Sergej Tretjakov und Dsiga Vertow, die einen Operativismus forderten, in dem es jedem möglich sein sollte, eigene Filme zu drehen. Außerdem orientierte man sich natürlich an den medientheoretischen Überlegungen von Oskar Negt und Alexander Kluge sowie Hans Magnus Enzensberger:

„Zum ersten Mal in der Geschichte machen die Medien die massenhafte Teilnahme an einem gesellschaftlichen und vergesellschafteten produktiven Prozeß möglich, dessen praktische Mittel sich in der Hand der Massen selbst befinden. Ein solcher Gebrauch brächte die Kommunikationsmedien, die diesen Namen bisher zu Unrecht tragen, zu sich selbst. In ihrer heutigen Gestalt dienen Apparate wie das Fernsehen oder der Film nämlich nicht der Kommunikation, sondern ihrer
Verhinderung.
“ 

Zu Beginn ihrer Arbeit drehte die Medienwerkstatt Freiburg viele Videos zu den Themen Stadtsanierung, Häuserbesetzungen und Jugendkultur. Es waren Filme von Betroffenen und die Filmemacher waren Teil der Bewegung.
Der Filmkritiker Wilhelm Roth schrieb 1981 in der Süddeutschen Zeitung über ein Video zu einer Hausbesetzung:

„Die besten Bänder, soweit ich sie kenne, kommen von der Medienwerkstatt Freiburg. Dort hat man einen Stil entwickelt, der im aktuellen Ereignis das Prinzipielle sieht. Die Freiburger bauen dichte Montagegewebe, sie agitieren, kommentieren, ironisieren, neben das Bild, oft mit Originalton, treten Texte und Musik – und das alles geschieht, das muss man sich immer wieder klar machen, oft innerhalb von 24 Stunden.“

1981 erhielt die Medienwerkstatt Freiburg von der Redaktion Kleines Fernsehspiel des ZDF den Auftrag für „Paßt bloß auf“, einen Film über die Hausbesetzer-Szene und der Kultur von unten. Dies war ein Schritt in die Professionalisierung ihrer Filmarbeit. Das Produktionsbudget sicherte die Existenz des Teams und ermöglichte den Einstieg in die professionelle U-Matic-Technik.

1982 produzierte die Medienwerkstatt Freiburg „s’Wespenäscht“, ihre Chronik zu zwölf Jahren Kampf gegen ein Kernkraftwerk in Wyhl und andere Großprojekte am Oberrhein. Der Film hatte am 24. April 1982 in Endingen am Kaiserstuhl Premiere vor rund 500 Zuschauerinnen und Zuschauern.

„Die Resonanz auf den Film war umwerfend; wir zogen wochenlang mit Großbildprojektor durch die Kaiserstuhlregion und verschickten Kopien des Films an andere Videogruppen und Bürgerinitiativen, die sich gegen geplante oder vorhandene Kernkraftwerke zur Wehr setzten. Die Widerstandschronik verbreitete Optimismus und machte Mut.“ 

Der vorgesehene Bauplatz ist mittlerweile als Naturschutzgebiet ausgewiesen, denn das Kernkraftwerk Wyhl wurde nie gebaut.

In den folgenden Jahren entstanden mehrere Videos zur Unterstützung von Kampagnen der Protestbewegungen, wie der Widerstand gegen die Volkszählung, die Verkabelungspolitik in der BRD, darunter auch kurze Bänder über Aktionen der politischen Szene in Freiburg, ein Film über das Piratenradio Dreyeckland: „Wir bitten nicht länger um Erlaubnis“, Filme zur Solidarität mit den Sandinisten in Nicaragua: „Briefe aus Wiwili“ und „Der Kampf ums Land“ aber auch distanzierte und kritische Auseinandersetzungen mit den Protestbewegungen wie
“Die Bankrotterklärung – Mütter in der Szene“ und der Friedensbewegung „Ein Wort kann eine Karikatur sein – Friede“.
„Die Lange Hoffnung – Erinnerungen an ein anderes Spanien“ führte uns nach Spanien, an die Stätten des Spanischen Bürgerkriegs von 1936. Mit dabei waren Clara Thalmann und Augustin Souchy, zwei Alt-Anarchisten, die von 1936-39 auf der Seite der CNT gegen die Faschisten kämpften. Etwa ein halbes Jahr nach der sechswöchigen Reise starb Augustin Souchy am in München. Der Film wurde so auch zu seinem Nachruf. Finanziert wurde das Projekt durch das „das kleine Fernsehspiel/ZDF.

In „Geisterfahrer – eine utopische Kolportage“ (1986), der dritten ZDF-Produktion ging es um den Zustand der Linken in der BRD, „um den Wandel oppositioneller Politik von der selbstbewußten Kraft utopischer Entwürfe zu den kleinen Schritten der sogenannten Real-Politik“.: Jo Leinen im Wahlkampf für die SPD, die Grünen im parlamentarischen Politikbetrieb, die Gründer der Ökobank, expandierende Alternativbetriebe und die Frage, was aus den Sozialutopien des 19. und 20. Jahrhunderts geworden ist. Realität und Fiktion wurden in diesem Film so ineinander verwoben, daß sie als solche nur noch schwer zu unterscheiden waren. Das ganze Geschehen wurde per Videotricktechnik in eine Geisterbahn verlegt,

„Die `Geisterfahrer‘ sollte man sich ansehen, diesen ebenso politischen wie experimentellen Videofilm. Eine exemplarische Stunde für das Bildmedium. So könnte es weitergehen: Widerstand in jeder Bildfolge, in jedes einzelne Bild hineinzutragen und für jede Situation die ihr gemäße Aktion zu finden. Mit videospezifischen Tricktechniken, die jedem `reinen‘ Videoexperiment gut anstehen würden, greifen die `Geisterfahrer‘ punktuell in vorgegebene Sinnzusammenhänge ein.“ (Dietrich Kuhlbrodt in KONKRET 1/87)

„Geisterfahrer“ setzte Maßstäbe, wie mit Videotechnik auch inhaltlich/politisch gearbeitet werden kann, sollte aber nicht zum Maßstab für zukünftige Produktionen werden. In den Filmen der Medienwerkstatt entwickelten sich unterschiedliche handwerkliche wie filmsprachliche Formen im Umgang mit Video, gewissermaßen „individuelle Handschriften“. Nach außen wurden die Filme noch als „Videos aus der Medienwerkstatt Freiburg“ gekennzeichnet, da die kollektive Struktur nach wie vor zu den tragenden Elementen der Arbeit gehörte.

Der Übergang zum Autorenfilm und zu individuellen Produktionen bahnte sich aber bereits an. Auch das bisherige kollektive Finanzmodell der Medienwerkstatt funktionierte so nicht mehr. Anfang der 90iger Jahre zeichnete sich ein neues Modell ab, welches einzelne Filmproduzenten vorsah, die sich eine gemeinsame Produktionsbasis erhielten: einen gemeinsamen Gerätepool und ein Schnittstudio.

Inzwischen gehen die einzelnen Autoren ihre eigenen Wege. Aber auch heute noch gibt es die Medienwerkstatt (in rudimentärer Form) als digitaler Dienstleister, als Videoverleih und visuelles Gedächtnis der 80iger und 90iger Jahre in der Konradstrasse 20 in Freiburg.

http://www.medienwerkstatt-freiburg.de